Giacomo Piovan: Die meisten Beteiligungsformate erreichen die gleiche Gruppe von Menschen: diejenigen, die Zeit haben, selbstbewusst auftreten und sich bereits engagieren. Aber die Stadt gehört allen, nicht nur den wenigen, die sich zu Wort melden. Das möchten wir ändern. Wir wollen Menschen zu Wort kommen lassen, die normalerweise nicht gehört werden, ohne diejenigen auszuschließen, die sich bereits beteiligen. Es geht darum, den Diskurs zu erweitern und alle einzubeziehen. Das heißt, wir müssen überdenken, wie, wo und wann wir Fragen stellen. Es ist entscheidend, Bürger:innen von Anfang an einzubeziehen – nicht erst am Ende, wie es noch oft der Fall ist.
Stefanie Ellwanger: Viele Menschen denken, dass ihre Meinung nichts bewirken kann. Das ist eine der größten Barrieren. Wir möchten ihnen vermitteln, dass ihre Stimme zählt. Es geht nicht nur darum, sie um Feedback zu bitten. Wir müssen auch zeigen, was ihr Input bewirken kann. Wenn Menschen sehen, dass ihr Feedback zu Veränderungen führt, beginnen sie dem Prozess zu vertrauen. Und ehrlich gesagt beteiligen sich Bürger:innen schon jetzt, ob wir sie nun einladen oder nicht: Sie sagen ihre Meinung in sozialen Medien, wenn Services nicht ihren Erwartungen entsprechen. Bürger:innen von heute erwarten von öffentlichen Services eine genauso hohe Reaktionsfähigkeit wie von Verbrauchermarken.
Stefanie: Junge Menschen, Menschen mit Beeinträchtigungen, Menschen, die nicht die Hauptsprache im Land sprechen, Menschen, die mit Arbeit und Familie beschäftigt sind. Sie beteiligen sich oft nicht, weil sie sich ausgeschlossen fühlen oder keine Zeit haben. Bei SensityCity haben wir in 12 Jahren gelernt, dass Städte bessere Ergebnisse erzielen, wenn die Beteiligung die gesamte Gemeinschaft widerspiegelt. Wir setzen auf hybride Formate, online und persönlich. Und wir gehen dorthin, wo die Menschen sind. Auf diese Weise machen wir Beteiligung zugänglich.
Giacomo: Dazu kann ich ein Beispiel geben. Im Rahmen des Luxembourg Urban Garden Events konzentrierte sich LUGA in Zusammenarbeit mit der Stadt Luxemburg auf den Park Odendahl. Wir befragten verschiedene Gruppen von Bürger:innen, um ihre Bedürfnisse zu verstehen. Dabei stellten wir fest, dass das Bildungsniveau nicht vielfältig genug war, da die meisten Befragten einen Universitätsabschluss hatten. Daher nahmen wir Kontakt zu lokalen NGOs und Sozialarbeiter:innen im Pfaffenthal-Viertel auf, um jüngere und nicht-luxemburgische Bewohner:innen zu erreichen. Wir führten die Interviews in mehreren Sprachen und meist vor Ort durch. Die Anwesenheit vor Ort hilft uns, die Realität der Bürger:innen zu verstehen. Diese halbstrukturierten Interviews ermöglichen es uns, tiefer zu gehen und im Detail zu verstehen, was den Menschen wirklich wichtig ist, zum Beispiel Wünsche und Sorgen. Das erreichen wir mit einer strukturierten Interview-Serie mit den Bürger:innen, ohne unnötige Komplexität.
Ihr beschreibt Beteiligung als einen Prozess und nicht als einen einzelnen Moment. Was bedeutet das für eure Arbeit?
Stefanie: Wir sammeln nicht einfach Meinungen und sind danach wieder weg. Beteiligung beginnt damit, Menschen zu informieren, dann folgen Nachbereitung und Feedback. Menschen wollen wissen, wie es weitergeht. Städte sind nicht statisch. Sie sind dynamisch, sie lernen und entwickeln sich weiter. Deshalb betrachten wir Beteiligung als einen fortlaufenden Prozess. Das heißt aber nicht, dass jedes Projekt Jahre dauert. Wir können ein sinnvolles Engagement innerhalb begrenzter Zeiträume schaffen, aber immer in dem Bewusstsein, dass sich Beteiligung von selbst weiterentwickelt. Sie hilft Menschen auch, sich weniger machtlos zu fühlen. Wenn man sich beteiligt, sieht man, dass man etwas bewirken kann.
Giacomo: Ja, Beteiligung als Prozess braucht Zeit. Die Einbeziehung der Teilnehmenden von der ersten Idee bis zur endgültigen Umsetzung scheint ein langwieriger Prozess zu sein, vor allem, wenn man die vollen Terminkalender der städtischen Beamt:innen und Politiker:innen bedenkt. In Zeiten eines wachsenden Interesses an Bürger:innenbeteiligungen ist es aber möglich, Beteiligung in verschiedene Phasen und Schritte zu unterteilen. Diese Überlegung brachte uns darauf, verschiedene Pakete für Städte zu schnüren, wie zum Beispiel „Die neue Beteiligung“. Dieser Service ist ein kompakter, strukturierter Prozess, der Städten hilft, Beteiligung ohne viel Aufwand an den Start zu bringen. Wir kombinieren einen demografischen Screener mit qualitativen Interviews und erstellen einen klaren, umsetzbaren Bericht, der als Briefing für weitere Studien dient. All das kann sehr schnell innerhalb von sechs bis sieben Wochen geschehen. Da wir alle relevanten Sprachen sprechen und uns an jeden Kontext anpassen können, sind die Ergebnisse vom ersten Tag an repräsentativ und verwertbar.
Giacomo: Das höre ich sehr oft. Aber das Gegenteil ist der Fall. Wenn man Bürger:innen frühzeitig in den Prozess einbezieht und nicht erst am Ende, wie es im Allgemeinen immer noch der Fall ist, vermeidet man spätere Konflikte. Man muss keine Probleme lösen, die man vorher hätte verhindern können.
Stefanie: Es geht auch um die Denkweise. Man muss noch nicht an alle Eventualitäten gedacht haben. Es geht eher darum, neugierig zu sein und einfach mal anzufangen. Wir sind da, um den Prozess zu begleiten, zu moderieren und zu beraten. Die Beteiligung hilft den Städten, ihre Bürger:innen besser zu verstehen. Und das bestärkt die Städte in ihren Entscheidungen.
Giacomo: In Dudelange haben wir nicht nur den Research, sondern auch die Kommunikation unterstützt. Wir halfen der Abteilung für partizipative Demokratie dabei, Online- und Offline-Fragebögen über Social-Media-Inhalte zu verbreiten, welche die Perspektiven der Bürger:innen widerspiegeln und der Abteilung hilft, eine engere Bindung zur Öffentlichkeit aufzubauen. Unser Team bei SensityCity bringt unterschiedliche Fähigkeiten in jedes Projekt ein: Researcher:innen, die die Bedürfnisse der Bürger:innen verstehen, arbeiten mit Kommunikationsspezialist:innen zusammen, die wissen, wie man verschiedene gesellschaftliche Gruppen erreicht, um die Kluft zwischen Bürger:innen und Verwaltung zu überwinden. Das heißt, wir sammeln nicht nur Daten, sondern helfen den Städten, sich so zu präsentieren, dass sie bei den Bürger:innen gut ankommen und Vertrauen in den Prozess schaffen. Das macht einen großen Unterschied.
Stefanie: Was mich antreibt, ist die Überzeugung, dass keine einzelne Person oder Institution allein die vielfältigen und wechselnden Bedürfnisse einer Stadt wirklich verstehen kann. Menschen, die jeden Tag in einer Stadt leben und arbeiten, wissen am besten, was gebraucht wird. Indem wir sie aktiv in den Prozess einbeziehen, können wir Städte schaffen, die nicht nur lebenswerter sind, sondern auch mehr Bedeutung für die Menschen haben, die dort wohnen. Es geht nicht darum, ihnen Lösungen von oben aufzudrängen, sondern darum, gemeinsam Räume zu schaffen, die echten Bedürfnissen und Wünschen entsprechen.
Giacomo: Mich motiviert die Überzeugung, dass Städte nicht nur funktional gestaltet werden sollten, sondern auch unterschiedliche Bedürfnisse und Perspektiven der Menschen mitberücksichtigen. Denn Städte sollten mit Blick auf die Menschen gestaltet werden, nicht nur für sie. Mein Ziel ist es, sinnvolle Veränderungen zu unterstützen und die Art und Weise, wie wir zusammenleben, zu verbessern. Insbesondere in einer Zeit, in der Dialog und Demokratie unter Druck stehen.
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Stefanie Ellwanger
Insights & Research
Director
stefanie.ellwanger@sensity.eu
+49 151 18 71 40 72

Giacomo Piovan
Service & Participation Design
Consultant
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